Schmerztraining mit Meister Asai

Über Ostern war Meister Asai für einen viertägigen Lehrgang in Hamburg. Auf 450 m2 Matte verteilten sich 150 Aikidoka, davon mehr als die Hälfte Dan-Träger. Super Gelegenheit, um sich viele viele Tipps abzuholen von verschiedensten Leuten, die es wissen sollten, zumal Meister Asai einen kleinen Vortrag im Gepäck hat zum Thema “Wir waren alle mal Anfänger” und “Trainieren Sie mit unangenehmen Partnern, geben sie ein gutes Gefühl”. Als ungeschickter Anfänger bin ich wahrscheinlich einer der “unangenehmen Partner”…

Wie immer faszinierend ist das Spektrum körperlicher Dimensionen – meine Trainingspartner in diesen vier Tagen wiegen geschätzt zwischen 45 und 145 kg und sind zwischen 140 und 210 cm lang. Und bewegen können sie sich alle – die DIN-Norm für Sportlerkörper spielt hier keine Rolle. Asai meint: Normaler Erwachsener – ob breit oder schmal, lang oder kurz – Sie haben Kraft genug. Sie müssen nur 100% geben. Nicht blockieren. Kraft nach außen schicken.

Die meisten Techniken, die Asai zeigt, hat man hier oder da schon gesehen. Wie er erklärt, ist das kein Problem – wenn jemand zu ihm sagt, “Die Technik kennen wir schon”, dann sagt er “schön, dann zeigen Sie”, und natürlich sieht’s dann nicht richtig aus. Zu wissen, wie eine Bewegung geht, ist etwas ganz anderes, als sie zu kennen/können. Da hilft nur immer wieder üben.

So üben wir ausführlich den Nikkyo: Das Handgelenk wird angewinkelt und ordentlich verdreht, bis die Sehnen elastisch am Anschlag sind, und dann wird durch den Schmerz und das blockierte Gelenk geführt. Asai sagt, natürlich ist das schmerzhaft, deswegen machen wir die Technik ja so, aber man kann sich dran gewöhnen, und mit den Jahren wird man weicher und kann den Schmerz akzeptieren. Einer meiner Trainingspartner erzählt, sie hätten früher so geübt, dass sie nicht abklopfen durften, auch wenn es noch so sehr weh tat. Entsprechend ist er komplett unbeeindruckt von meinen Versuchen; seine Technik bei mir fühlt sich an wie ein Zahnarztbesuch: Der krasseste Schmerz, den ich mir in den letzten Jahren freiwillig habe antun lassen, dann wird die Hand taub, und nach ein paar Minuten kommt prickelnd wieder etwas Gefühl in die Finger. Vieles im Aikido ist sehr gesund, ich fürchte, diese Übung gehört nicht dazu.

Auch Asai sagt, nicht alles könne man üben. Eine Technik enthält einen Hebel, der gegen das Ellbogengelenkt wirkt. Dehnung hilft hier nicht weiter, deswegen üben wir diese Technik auch sehr selten.

Eine meiner Trainingspartnerinnen meint, einige Lehrer hätten geradezu perverse Lust an Schmerzen. S/M-Tendenzen steigern sicher die Lust am Yonkyo, den wir eine Weile üben. Der Knöchel des Partners drückt dabei auf einen Akkupressur-Punkt am Unterarm, dort wo Arterien, Sehnen, Muskelansätze und Nerven schön ungeschützt an der Oberfläche liegen. Asai meint, der Yonkyo “tut weh, was?”, aber hinterlässt keine bleibenden Schäden – “gibt nur braue Frecken”. Er selbst hätte mal einen riesigen blauen Fleck vom Ellbogen bis zum Handgelenk gehabt, aber auch da härtet man wohl ab. Bis ich so weit bin, muss ich wohl damit leben, dass ich noch Tage später nicht vernünftig zugreifen kann.

Der Lehrgang hinterlässt bei mir eine kuriose Mischung aus Selbstvertrauen und Staunen – Selbstvertrauen, weil die meisten Bewegungen und Techniken nachvollziehbar waren, und es sich einfach gut anfühlt, wenn man sie gemeinsam zum Laufen bringt; und Staunen, dass ich mir das angetan habe, und dabei offenbar nichts kaputtgegangen ist. Man hält doch mehr aus als man denkt.

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